Erste Plenarrede: Zur humanitären Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine

Am 24. März 2022 hielt ich meine erste Rede im Plenum. Einen Monat nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine diskutierten wir im Abgeordnetenhaus den Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und Linke zum Thema “Humanitäres Willkommen für Kriegsflüchtlinge als gesamtstaatliche Aufgabe”.

Die Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,

wir haben gerade diese besondere humanitäre Lage und die AfD konnte sich nicht zurückhalten und musste ihrem Rassismus hier freien Lauf lassen und Menschen gegeneinander ausspielen. – Schämen Sie sich!

Genau einen Monat ist es jetzt her, dass Putin seinen völkerrechtswidrigen Angriff auf die souveräne Ukraine begonnen hat. Seit einem Monat wird der souveräne Staat Ukraine angegriffen. Seit einem Monat marschieren russische Soldaten in ukrainische Städte ein, russische Panzer rollen auf ukrainischen Straßen. Seit einem Monat erreichen uns Bilder von zerbombten Wohnhäusern, von angegriffenen Theatern und Hochschulen, in denen Kinder und Zivilist*innen Schutz suchten, erreichen uns Bilder von Flüchtenden, die oft nur eine Tasche dabei haben. Und seit einem Monat erreichen uns diese Geflüchteten auch hier in Berlin.

Dass Berlin in den letzten vier Wochen zu einer Anlaufstelle für mehrere 10.000 Geflüchtete geworden ist, hat zum einen mit unserer geografischen Lage zu tun, hat aber auch damit zu tun, dass wir als ein sicherer Hafen für Geflüchtete bekannt sind und dass wir für Menschen, die auf der Flucht sind, einen sicheren Hafen anbieten. Auf diesen Ruf können wir sehr stolz sein.

Diesem Ruf wollen wir auch gerecht werden. Jetzt geht es darum, diejenigen, die bei uns Schutz suchen, gut und angemessen zu versorgen. In den letzten vier Wochen wurde – quasi über Nacht – bereits beeindruckende Strukturen hier in Berlin aufgebaut. Vor allem die Zivilgesellschaft hat ihre Hilfsbereitschaft gezeigt. Die vielen Freiwilligen, die am Hauptbahnhof, am ZOB, am Südkreuz, an den vielen Ankunftszentren Tag und Nacht Unterstützung, Übersetzung, Essen, Getränke, Kleidung und vieles mehr für die Ankommenden organisieren, sind hier zentral. Ich habe es selbst vor Ort gesehen, ich habe Menschen getroffen, die mir erzählt haben, dass sie ihren zweiten Job aufgegeben haben, damit sie sich engagieren können. Ich habe Studierende getroffen, die mir erzählt haben, dass sie ihr Studium auf Eis gelegt haben, damit sie dort vor Ort helfen können. Diesen Ehrenamtlichen möchte ich an dieser Stelle von ganzem Herzen Danke sagen!

Mein Dank gilt aber ebenso den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Senats, insbesondere denen der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, die in den letzten vier Wochen auch Beachtliches in Berlin geschafft haben. Auch ihnen ein Dankeschön von mir an dieser Stelle.

Bei der Versorgung ankommender Geflüchteter bei uns in Berlin ist bisher vieles gut gelaufen, aber bei weitem nicht alles. Das liegt aber auch daran, dass wir als Land Berlin in den ersten drei Wochen auf uns allein gestellt waren. Vom Bund kam an vielen Stellen wenig, an manchen Stellen auch gar keine Hilfe. Das muss sich jetzt ändern. Es ist höchste Zeit, dass Berlin durch den Bund spürbare und umfangreiche Unterstützung bekommt. Deswegen besprechen wir diesen Antrag heute hier, und deswegen bin ich auch froh, dass alle demokratischen Fraktionen in diesem Parlament diesen Antrag geschlossen unterstützen.

Konkret fordern wir, dass die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine endlich als gesamtstaatliche Aufgabe verstanden wird. Das Land Berlin braucht langfristige und verlässliche finanzielle Unterstützung, um eine angemessene Unterbringung und Versorgung zu garantieren. Das Land Berlin braucht aber auch personelle Unterstützung, gerade bei der Registrierung der Geflüchteten. Hier muss der Bund endlich anfangen, uns substantiell zu unterstützen.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir weder am Ende dieser großen Fluchtbewegung sind, noch haben wir ihren Höhepunkt erreicht. Es droht eine humanitäre Katastrophe in der Ukraine, vor der alle Menschen flüchten. Auch Menschen ohne ukrainischen Pass. Unsere humanitäre Verantwortung, Geflüchtete aufzunehmen und angemessen zu versorgen, haben wir deshalb auch gegenüber diesen Menschen.

Wir dürfen keine Unterschiede machen zwischen den vermeintlich guten und schlechten Geflüchteten. Unsere Solidarität muss allen gelten, die bei uns Schutz suchen. Auch hier ist der Bund gefragt, denn es muss dringend eine Lösung auch für die Drittstaatler*innen und BPoCs gefunden werden, die in der Ukraine nur einen befristeten Aufenthalt haben, aber die genauso vor den russischen Bomben und dem Krieg zu uns fliehen.

Lassen Sie mich abschließend betonen, dass wir auch in dieser Situation die Geflüchteten an den anderen EU-Außengrenzen nicht vergessen dürfen. An der belarussich-polnischen Grenze harren seit Monaten wenige tausend Geflüchtete vor allem aus Ländern des Nahen und Mittleren Ostens aus, die auch auf unsere Hilfe angewiesen sind. Auch diese Menschen sind auf unsere humanitäre Verantwortung angewiesen, und unsere Aufnahmebereitschaft wird auch für sie gelten.

Berlin – unser schönes, kosmopolitisches Berlin – ist und bleibt offener und sicherer Hafen für alle Geflüchteten, ob Sie das wollen oder nicht. Berlin wird alle Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen, auch aufnehmen.

Vielen Dank!