Anlässlich des Jahrestags der Befreiung von Auschwitz Ende Januar haben Taylan Kurt MdA, Hanna Steinmüller MdB und ich der deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden und weiterer von den Nationalsozialisten Verfolgten aus Moabit bei einem Gedenkspaziergang in Anlehnung an die Moabiter Initiative “Ihr letzter Weg” vom Mahnmal an der Levetzowstraße zum Güterbahnhof Moabit gedacht.
Wir trafen uns an der Levetzowstraße 7-8, wo seit 1914 eine jüdische Synagoge stand, die in der Pogromnacht 1938 beschädigt und von 1941-1943 während der Hochphase der organisierten Deportationen als Sammellager benutzt wurde. Am Tag der Deportation wurden die Internierten in Marschkolonnen quer durch Moabit getrieben, durch bewohnte und belebte Straßen vor den Augen der Moabiter*innen.
Ihr Weg führte durch die Jagowstraße über Alt-Moabit und die Turmstraße, durch die Lübecker, Birken-, Havelberger und Quitzowstraße zur Verladestelle am Güterbahnhof.
Auf unserem Gedenkgang folgten wir diesem Weg und putzten die auf dem Weg liegenden Stolpersteine.
Gleich am Eingang von der Levetzow- in die Jagowstraße wohnte das Ehepaar Dr. Julius und Selma Lewkowitz. Dr. Julius Lewkowitz war Rabbiner der Synagoge in der Levetzowstraße und kümmerte sich bis zum Schluss um seine Gemeinde. Gemeinsam mit den bei ihnen lebenden Untermieter*innen wurden beide am 12. März 1943 mit dem „36. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Während der NS-Zeit wurden 1900 Jüdinnen und Juden aus Moabit deportiert. Im Westfälischen Viertel und dem benachbarten Hansaviertel gab es eine blühende jüdische Gemeinde und zahlreiche Synagogen wie die in der Levetzowstraße.
Eine Liste mit Stolpersteinen in Moabit findet sich hier. Zu den meisten der mindestens 328 Stolpersteine hat die Initiative “Ihr letzter Weg” hier auch Biografien angelegt.
Schräg gegenüber des Ehepaars Lewkowitz, in der Jagowstraße 8, wohnten Ida Lurje und Bertha Walk (deren Namen auf den Stolpersteinen im Bild unten zu sehen sind), die am 3.10.1942 nach Theresienstadt deportiert wurden. Ida Lurje wurde von dort 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet, Bertha Walk wurde im Februar 1945 in Theresienstadt ermordet.
Unser Weg führte auch am ehemaligen Krankenhaus Moabit an der Turmstr. 21 vorbei, das viele noch kennen werden. Dort arbeiteten viele jüdische Ärzt*innen und gewerkschaftlich Engagierte, die nach 1933 ihre Anstellung verloren und verfolgt wurden. Dennoch gelang es u.a. dem Arzt Georg Groscurth und dem Wissenschaftler Robert Havemann, dort die Widerstandsgruppe „Europäische Union“ zu unterhalten. Die führenden Mitglieder dieser Union wurden jedoch 1943 verhaftet und 1944 fast alle hingerichtet – mit einer Ausnahme: Robert Havemann, der sich später in der DDR zu einem führenden Oppositionellen entwickelte.
Den Weg gingen wir gemeinsam mit anderen Moabiter*innen.
In den Jahren von 1940 bis 1945 wurden in die deutschen Konzentrationslager Auschwitz (Stammlager, Birkenau, Monowitz und deren Nebenlager) etwa 1,3 Millionen Menschen deportiert und über eine Million Menschen, vorwiegend jüdischer Herkunft, ermordet, darunter auch viele Menschen aus Moabit. Stolpersteine auf den Moabiter Bürgersteinen erinnern an diese und in anderen Lagern oder auf andere Weise durch das NS-Regime ermordeten Mitbürger*innen, viele Informationen dazu hat die Initiative Sie waren Nachbarn zusammengetragen, die auch einen Audiowalk mit dem Namen Ihr letzter Weg entwickelt haben.
Laut Aktenlage haben etwa 20.000 Menschen ihre letzten Tage in Berlin in dieser Sammelstelle verbracht. Von dort führte ihr Weg durch Moabit zum alten Güterbahnhof Moabit.
Von dort wurden allein zwischen August bis Oktober 1942 mindestens 7.558 Menschen deportiert.
Was damals passiert ist, darf nie wieder passieren und fordert unserer aller Aufmerksamkeit. Darum danken wir allen, die mit uns zusammen diesen Weg gegangen sind und wollen das Gedenken auch in den kommenden Jahren weiter wach halten.