Plenarrede: Zur Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine in Berlin

Am 7. April 2022 diskutierten wir im Plenum des Abgeordnetenhauses einen Antrag der AfD-Fraktion, der eine Priorisierung von ukrainischen Geflüchteten forderte. Als Grüne lehnen wir ein solches Vorgehen, eine Unterteilung von Schutzbedürftigen in Kategorien, ab. Das habe ich auch in meiner Rede klargemacht:

Die ganze Rede zum Nachlesen:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
wir müssen heute wiedermal einen sinnlosen Antrag der AfD verhandeln, der durch und durch absurd argumentiert. Das ist nicht besonders verwunderlich für uns, weil von so einer rassistischen, menschenverachtenden Partei wie der AfD kann nur so ein Antrag kommen, der die Geflüchteten in gute und schlechte Kategorien einteilt.

Neu und bemerkenswert ist jedoch, dass sich die AfD scheinheilig als Kämpferin für die Geflüchteten aus der Ukraine aufspielt, denn wenn es nach der AfD ginge, wäre das Recht auf das Asyl schon seit Jahren abgeschafft. Wer hat in seinen Reihen Sprecher*innen für Remigration? Wer hat in seinem Parteiprogramm Konzepte für Abschottungspolitik formuliert? Wer hat auf Bundesebene gefordert, dass an den Grenzen auf Menschen geschossen wird? – Das ist die AfD, das ist der Kern der AfD. Also hören Sie auf, sich hier als Verfechter der ukrainischen Geflüchteten aufzuführen. Das passt nicht, das glaubt Ihnen niemand, das nimmt Ihnen niemand ab.

Berlin zeigt seit Wochen vollste Solidarität mit den Geflüchteten aus der Ukraine – dafür braucht es keinen Antrag der AfD. Seit Beginn des Krieges werden die hier ankommenden Menschen gut versorgt durch eine Struktur, die Ehrenamtliche und der Senat gemeinsam aufgebaut haben. Geflüchtete werden direkt nach ihrer Ankunft untergebracht – in Unterkünften des Landes, in kurzfristig angemieteten Hotels und Hostels und einige sogar privat bei engagierten Berliner*innen, denen ich an der Stelle auch ganz herzlich danke.

Der Senat hat hier gerade in den ersten Wochen sehr schnell viele zusätzliche qualitativ gute Unterkünfte organisiert, ohne auf Turnhallen und ähnliche Massenunterkünfte zurückgreifen zu müssen. Und all das, als noch unklar war, ob eine finanzielle Unterstützung vom Bund kommen wird. Was die AfD in diesem Antrag suggeriert, nämlich dass das Land keine Unterkünfte stellen würde, ist also schlicht und einfach eine falsche Behauptung.

Damit hört es aber noch nicht auf. In diesem Antrag ist die Rede von 15.000 Personen ohne Aufenthaltsrecht in Berlin. Hiermit meint die AfD die 15.838 Menschen, die das Landesamt für Einwanderung als Ausreisepflichtige führt. Nun haben allerdings 14.714 dieser Menschen eine Duldung – ein Bundesgesetz, was der Fraktion Rechtsaußen anscheinend nicht geläufig ist. Ich kann es Ihnen gerne erklären: Duldungen kommen zustande beispielsweise, weil Menschen gegen die Ablehnung ihres Asylantrags klagen – was ihnen zusteht in unserem Rechtsstaat. Aber auch mit dem Rechtsstaat ist die AfD ja bekanntlich nicht so vertraut.

Zum anderen kommen Duldungen zustande, weil Ausreisen de facto nicht möglich sind. Gut 10% der momentan Geduldeten sind zum Beispiel Afghan*innen – wir alle wissen um die aktuelle Situation in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban: Abschiebungen dorthin würden zwingend eine Zusammenarbeit mit den Taliban bedeuten. Duldungen gibt es also aus guten Gründen, eine Ausreise dieser Menschen wie dieser Antrag fordert, ist überhaupt keine Option.

So weit zu diesem sehr wackeligen Gerüst, auf dem dieser Antrag steht. Nun sollten wir uns als Parlament aber nicht zu sehr von den 13 Rechtsaußen hier treiben lassen. Stattdessen sollten wir unsere Kräfte darauf verwenden, als demokratische Fraktionen gemeinsam und konstruktiv an der Frage zu arbeiten, wie es weitergeht, wie eine langfristige gute Versorgung der Geflüchteten sichergestellt werden kann. Denn es sieht leider nicht danach aus, als würde der Krieg in der Ukraine bald zu Ende gehen. Und selbst da wo die Kampfhandlungen aufhören, ist so viel zerstört, dass kaum an eine baldige Rückkehr zu denken ist.

Der Senat und die Bezirke arbeiten bereits daran, langfristig Kita- und Schulplätze für alle Kinder zu organisieren, für eine gute medizinische und psychosoziale Betreuung zu sorgen und dauerhaften Wohnraum zu schaffen. All diese Punkte werden auch Eingang finden in das Sonder-Haushaltspaket Ukraine, das gerade vorbereitet wird. Und dieses Sonder-Haushaltspaket wird ja eben geschnürt, weil unsere Koalition alle Geflüchteten angemessen versorgen will. Es wird deswegen mehr Geld zur Verfügung gestellt, weil wir in dieser Stadt keine Unterscheidung zwischen Geflüchteten machen. Egal ob Menschen nun seit 6 Wochen oder 6 Jahren hier sind, egal ob sie einen ukrainischen, syrischen oder gar keinen Pass haben, sie werden hier bei uns in Berlin gut versorgt. Das ist unsere humanitäre Verantwortung.

Lassen Sie uns jetzt also gemeinsam konstruktiv an der Ausgestaltung dieses Sonder-Haushaltspakets arbeiten. Lassen Sie uns sicherstellen, dass Berlin ein sicherer Hafen für Schutzsuchende bleibt. Und lassen wir uns dabei nicht von scheinheiligen AfD-Anträgen ohne jegliche Basis aus dem Konzept bringen.

Wir Grüne lehnen diesen Antrag ab, denn für uns ist klar: das Recht auf Asyl und Schutz vor Verfolgung ist ein universelles Recht und unsere Solidarität gilt allen Schutzsuchenden.

Vielen Dank.